Burg Wendelstein Vacha - von den Anfängen bis heute
Vacha gehörte im Mittelalter zur Reichsabtei Fulda und war ein wichtiger Etappenort entlang der Via Regia, die hier die Werra überquerte. Die Handelsstraße von Frankfurt am Main nach Leipzig nutzte ursprünglich eine Furt als natürlichen Flussübergang.
1186 wird erstmals eine Brücke in Vacha erwähnt, ein aus der Werra geborgener Gründungspfeiler konnte dendrochronologisch auf um 1179 datiert werden und bestätigt diese Angabe.
Der Schutz der Brücke machte die Errichtung einer Burg als Brückenkopf erforderlich.
Gründung der Burg
Die Äbte von Fulda ließen die Burg in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbauen. Sie lag unmittelbar an der Grenze zur Reichsabtei Hersfeld am bedeutenden Werraübergang, damals noch außerhalb der sich entwickelnden Stadt Vacha.
Um 1260 ließ der Fuldaer Abt Heinrich IV. von Erthal die Stadtmauer erweitern, in diesem Zusammenhang wurde die Burg in die Stadtbefestigung einbezogen und bildete das nordöstliche Bollwerk der Stadt. Unmittelbar westlich der Burg befanden sich das Untertor und der Zugang zur Werrabrücke, den die Burg schützte und kontrollierte. 1294 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung der Burg.
Burganlage
Die Burganlage besitzt eine rechteckige Grundfläche und hat eine Ausdehnung von etwa 60 zu 80 Metern. Die Burg hatte einen stadtseitigen Zugang mit Zugbrücke im Süden und einen heute vermauerten Zugang von der Feldseite im Osten, durch den die Burg im Fall eines Aufstandes der Bürger ungehindert von außen erreicht werden konnte.
Die massiven Außenmauern mit dem vermauerten romanischen Tor im Osten blieben in Resten erhalten, der vorgelagerte Wassergraben und der innere Graben zur Stadt wurden verfüllt. An Stelle der Befestigungsanlagen zur Stadt errichtete man mehrere Bürgerhäuser. Die stadtseitigen Mauern wurden um 1885 weitgehend abgebrochen.
Neben dem Bergfried ist auf der ältesten Stadtansicht Vachas von Wilhelm Dillich von 1591 in der Nordostecke der Burg ein weiterer bereits verfallener Turm zu sehen. Dieser ist heute verschwunden, die in dem Bereich unterbrochene Burgmauer und ein vermauerter Zugang im nördlichen Burgkeller sind die einzigen verbliebenen Spuren.
Bergfried
Der Bergfried ist ein Rundturm aus der Zeit um 1200 in der Südwestecke der Burg, von knapp 20 Metern Höhe, 2 Meter starken Mauern und einem Durchmesser von 9 Metern. Die Mauertechnik verweist noch auf die Romanik, das um 1250 erneuerte spitzbogige Portal bereits auf die Gotik. Es liegt in 8 m Höhe an der geschützten Nordostseite und war über eine leichte Holzkonstruktion zu erreichen. Auf der Südwestseite sind die Reste eines Aborterkers erhalten.
Im Inneren gliedert sich der Turm in drei Etagen. Der untere etwa 10 m hohe überwölbte Raum war nur über das sogenannte Angstloch zu erreichen. Um 1900 brach man einen ebenerdigen Zugang in den Turm, um ihn als Kohlenlager wirtschaftlich nutzen zu können. Dafür musste der Fußboden, der fast 2 m unter dem Niveau des Burghofs lag, aufgefüllt werden.
Während der Sanierung in den Jahren 2009/2010 entdeckten Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins Vacha nach dem Entfernen von etwa 10 m³ Schutt auf der Sohle des Innenraums einen weiteren Zugang zu einem darunter liegenden Gewölbe, das bis heute weitgehend verschüttet ist. Die Funktion dieses Raumes konnte nicht ermittelt werden. Da der Eingang leicht zu verteidigen ist, könnte es sich um den Zugang zu einem Fluchtstollen handeln.
Der gemauerte Turmhelm von 1933 wurde 2009 durch ein neues Dach ersetzt, seitdem hat der Turm eine Gesamthöhe von 27 Metern. Im Inneren wurden Treppen aus Eichenholz eingebaut um den Bergfried als Aussichtsturm zugänglich zu machen. Über 104 Stufen können die Besucher die Aussichtsplattform erreichen.
Kemenate
Das Hauptgebäude der Burg ist die Kemenate, das heutige Gebäude entstand im 13./14. Jahrhundert.
Ein Teil Mauerwerks geht bis ins 12. Jh. zurück, so befindet sich an der Ostseite ein aus einem Stein gehauenes romanisches Fenster. Die vermauerten Fenstergewände, der Aborterker und Reste des hofseitigen gotischen Eingangstores lassen das ursprüngliche Aussehen erahnen.
Das Gebäude brannte beim Stadtbrand von 1467 aus. Der Wiederaufbau des „alten Wohnbaus" wird in den Amtsrechnungen von 1474 vermeldet. An Planungen dazu war der hessische Hofbaumeister Hans Jakob von Ettlingen beteiligt.
1614 wurde die Kemenate in ihre heutige Form mit drei Stockwerken umgebaut. Aus dieser Zeit stammen die Holzbalkendecken, der Dachstuhl mit den Fachwerkgiebeln und einige der Fenstergewände.
Ursprünglich gab es nur einfache Holztreppen zwischen den Geschossen. Um die Kemenate besser nutzbar zu machen wurde von 1938-41 das Treppenhaus angebaut und zehn zusätzliche Fenster eingebrochen. Den alten Fußboden aus Klinkerplatten im Erdgeschoss ersetzte man durch Solnhofener Platten, ebenso wurden die Fundamente der beiden großen Mittelstützen erneuert und die Decken begradigt.
2023 musste ein Teil der schadhaft gewordenen Auflager der Unterzüge und der Holzstützen erneuert und ausgebessert werden.
Romanisches Fenster an der Ostwand der Kemenate
Aborterker
Burgmannen
Zum Schutz gegen auswärtige Feinde und zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe unter den Bürgern war die Burg mit besoldeten Burgmannen besetzt. Diese stammten aus dem niederen Adel und wurden von den Äbten von Fulda eingesetzt. Sie waren zur Waffenfolge auf Befehl der Äbte verpflichtet und erhielten dafür Burglehen und Burggüter. Die Burgmänner erbauten sich zu ihrer Wohnung eigene Burgsitze in der Stadt verteilt, da der Raum in der Burg selbst dazu nicht ausreichte.
1307 wird die Burg als mit Burgmännern und Wächtern besetzt erwähnt. Der erste namentlich genannte Burgmann ist 1321 Heinrich von Bimbach.
Herkunft des Namens "Wendelstein"
Der Name „Wendelstein“ bezeichnete ursprünglich die südlich der Burg in der Turmstraße, der früheren Scheuergasse, gelegene Kemenate des Burgsitzes der von Bibra. 1385 verkaufen die Brüder von Bibra ihre "Kemenaten zu Vache ober der von Herde Hus (die Burg) an der Statmuren" an das Kloster Kreuzberg.
Die Bezeichnung „Wendelstein“ kommt erstmals in einem Lehnsbrief aus dem Jahr 1546 vor: „des Closters Creutzbergk Kemnaten in unserer Stadt Vacha, hinten an der Mauren in der Scheuergassen gelegenn, der Wendelstein genant“. Die Kemenate war zu dieser Zeit vermutlich bereits verfallen und das Grundstück nur noch als Garten genutzt, der den Namen Wendelstein behielt. Erst im 19. Jahrhundert ist der Name dann auf die benachbarte Burg übergegangen.
Das Grundstück wurde um 1890 neu bebaut, nach kurzer Nutzung als Zigarrenfabrik befand sich dort von 1910 bis Ende der 1940er das Burgcafé und später bis vor einigen Jahren die Wäscherei Vacha.